Vom Spaziergänger mit dem Hund

Liebe Mit-Investoren!

Der innere Wert (NAV) einer Aktie bzw. einer VERUS-Wandelschuldverschreibung lag per Ende November 2017 bei Euro 2.240. Die Wertsteigerung im Jahr 2017 beträgt damit gesamt 37,6%. Seit dem Start per 1.1.2016 ist der Wert um 103% gestiegen.

Der Haupttreiber der positiven Entwicklung im November war die Secunet Security Networks AG. Im letzten Zwischenbericht hatte ich noch über den Kursrückgang von 105 Euro auf unter 80 Euro berichtet. In der Zwischenzeit hat Secunet schon wieder neue Höchststände (jetzt schon über 115 Euro) erreicht. Mitgrund für den Kursanstieg ist die Prognoseanhebung, die am 30. November bekanntgegeben wurde. Die Firma ist ausgezeichnet positioniert und höchst erfolgreich.

Trotzdem fragt man sich, ob der Wert der Firma sich in so kurzer Zeit so schnell ändern kann. Die Antwort darauf ist: Nein. Der Wert der Firma schwankt nicht so sehr. Aber der Optimismus bzw. Pessimismus der Anleger ändert sich sehr schnell – und damit die Preise, die an der Börse bezahlt werden.

Der Kursrückgang von Secunet im Oktober ist damit auch ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht die Börsen-Kurse als Gradmesser für die tatsächliche Entwicklung einer Firma heranziehen darf. Ich möchte dieses Beispiel zum Anlass nehmen, um den Unterschied zwischen dem „Wert“ einer Firma („Value, that you get“) und dem Börsenkurs („Price, that you pay“) zu erläutern.

Grundsätzlich gilt: Der Börsenwert einer Firma kann lange Zeit weit unter dem tatsächlichen Wert liegen, er kann aber auch sehr lange viel höher als der Wert der Firma sein. Sehr langfristig gesehen, werden sich die beiden Werte immer wieder annähern, der Abstand kann aber beträchtlich sein und lange Bestand haben.

Der Börsen-Altmeister Andre Kostolany hat das am Beispiel eines Spaziergängers mit seinem Hund an der Leine sehr gut beschrieben.  Der Hund läuft gerne schwanzwedelnd voraus oder bleibt auch deutlich zurück, so weit es die Leine erlaubt. Der Hund verhält sich damit wie der Kurs an der Börse, der schnell auf und ab gehen kann. Der Spaziergänger entspricht dagegen dem Wert des Unternehmens, der sich viel kontinuierlicher bewegt. Im Großen und Ganzen laufen Hund und Herr im gleichen Tempo, nur eben selten gleichauf.

Das Ziel als Value-Anleger ist es, Firmen zu finden, deren Kurs (Hund an der Leine) hinter dem Wert (dem Spaziergänger) zurückgeblieben ist.

Das Problem dieser traditionellen Sichtweise besteht aber darin, dass solche Firmen sehr lange unterbewertet bleiben können – manchmal für viele Jahre. Dann hat man eine Aktie im Depot, die sich nicht weiterentwickelt. Und das drückt – selbst wenn es dann letztlich klappt – auch auf die Performance.

Ein Beispiel verdeutlicht das. Angenommen man findet ein Unternehmen, das objektiv gesehen 100 Mio. Wert ist (weil es z.B. ein so hohes Vermögen hat, das im Falle einer Liquidation an den Aktionär ausgeschüttet werden könnte). Der Preis an der Börse beträgt aber nur 75 Mio. Dann hat man ein klassisches Value-Investment gefunden. Der Investor hat eine Sicherheitsmarge von 25%. Wenn sich der Wert des Unternehmens jetzt die nächsten 10 Jahre aber nicht verändert und dieser Wert von 100 Mio. Euro erst nach 10 Jahren an die Investoren ausbezahlt wird, dann hat man zwar 33% (von 75 auf 100) verdient. Das entspricht aber nur einer Jahresrendite von unter 3% – ein unbefriedigendes Investment, selbst wenn man mit der Analyse recht behalten hat. Und nur sehr wenige Anleger halten so lange durch, meist verliert der Anleger die Geduld und verkauft wieder.

Hier zeigt sich auch ein typischer Fehler von Anlegern. Viele Anleger glauben, dass – wenn sie so eine Unterbewertung entdeckt haben – am nächsten Tag alle anderen Marktteilnehmer das Unternehmen jetzt plötzlich auch anders einschätzen müssten. Man gibt sich der Illusion hin, dass man nur durch den Kauf der Aktie deren Unterbewertung auflöst. Und das ist normalerweise nicht der Fall.  Wenn bekannte aktivistische Investoren sich einkaufen und dies bekannt wird, dann mag das anders aussehen. Dann besteht aber auch klar die Hoffnung, dass aktiv daran gearbeitet wird, die Diskrepanz aufzulösen.

Die Investition in Stada war so ein Fall. Der Kurs der Aktie lag – auch aufgrund langjährigem ineffizienten Management – deutlich unter dem Wert des Unternehmens. Durch aktivistische Investoren gab es einen Katalysator, der den Wert des Unternehmens freigelegt hat.

Der wichtigste Katalysator ist aber eine positive Weiterentwicklung des Unternehmens. Um beim Bild Kostolanys zu bleiben: Wenn der Spaziergänger sich zügig in die richtige Richtung bewegt, d.h. wenn sich der Wert des Unternehmens kontinuierlich nach oben bewegt, dann hat man kein Problem, wenn sich der Kurs für einige Zeit nicht positiv entwickelt. Dann wird auch bei stagnierendem Kurs die Sicherheitsmarge über Zeit immer größer. Irgendwann ist die Leine des Hundes am Anschlag und er wird in die richtige Richtung gezogen.

Der wichtigste Effekt dabei ist, dass die Zeit in diesem Fall für den Investor und nicht gegen den Investor arbeitet. Angenommen man findet wieder ein Unternehmen, das heute 100 Mio. wert ist und das zu einem Kurs von 90 Mio. an der Börse notiert. Das ist zwar deutlich teurer als das Unternehmen, das zu 75 Mio. notiert. Wenn sich bei diesem Unternehmen der innere Wert aber zusätzlich kontinuierlich steigert, dann ist das eine gute Investition, egal was der Kurs in den nächsten 5 Jahren macht. Wenn man z.B. 12% Steigung des inneren Wertes des Unternehmens p.a. annimmt, dann beträgt der Wert des Unternehmens in 10 Jahren 310 Mio. Selbst, wenn der Kurs dann nur bei 280 steht, hat man 12% p.a. verdient – und wenn er bei 310 steht, sind es über 13% p.a.

Secunet ist so ein Unternehmen, bei dem der Spaziergänger sehr, sehr zügig unterwegs ist. Beim einem Kurs von 115 dürfte es allerdings schon so sein, dass der Hund (d.h. der Kurs), dem Spaziergänger (d.h. dem Wert) ein wenig davongelaufen ist. Wenn man aber Zeit hat (und die Nerven, wenn der Hund wieder mal sehr schnell zurückrennt), dann wird der Spaziergänger den Hund aber sicher wieder einholen.

Ein anderes Beispiel ist Hypoport. Auch Hypoport ist schon ambitioniert bewertet, aber eben auch sehr zügig unterwegs. Dort würde ich einen Rücksetzer unter 120 gerne nutzen, um die Position zu vergrössern. Ob es dazu aber eine Chance geben wird, ist fraglich.

Etwas anders ist die Situation z.B. bei Metro. Hier war der Spaziergänger in der Vergangenheit eher ein Bummler und kein Jogger. Dafür ist der Hund derzeit aber deutlich hinter dem Spaziergänger. Bei Metro besteht jetzt zudem die Hoffnung, dass das Tempo erhöht wird. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass dort jetzt eine Phase beginnt, in dem man den Wert des Unternehmens auch tatsächlich heben will. Wenn das gelingt, dann wird Metro für uns ein gutes Investment sein.

Ich danke allen Investoren für ihr Vertrauen.

Helmut

Vaduz, 5. Dezember 2017

 

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Investment Lessons by Warren Buffett and Charlie Munger:

 

“Price Is What You Pay, Value Is What You Get”