Agfa hat am 24. August die Halbjahreszahlen publiziert – und diese wurden vom Markt schlecht aufgenommen. Der Kurs ist in der Folge von ca. 3,6 Euro innerhalb eines Tages auf teilweise unter 3,2 Euro gefallen.
Die Zahlen an sich waren sicher einen Enttäuschung. Neben den Belastungen aus der Kosteninflation und einer negativen Entwicklung der Radiologie (Umsatzrückgang um über 11% like for like und 60% EBIT-Rückgang) war vor allem auch die Cash-Flow Entwicklung negativ. Der Free Cash Flow betrug minus 59 Mio. Das Working Capital ist vor allem durch Lageraufbau im Vergleich zum Vorjahr um über 100 Mio. angestiegen. Und der Net-Cash ist auf nur noch 188 Mio. gesunken. Positiv ist dagegen, dass die Pensionslasten aufgrund der Zinsänderungen von 670 Mio. zum Jahresanfang auf „nur“ noch 528 Mio., dh um 142 Mio. Euro gesunken sind. Und hinsichtlich der operativen Entwicklungen besteht klar Hoffnung auf Besserung. Der Order-Intake im Health-Care-IT Bereich ist sehr positiv und sollte zu einer deutlichen Verbesserung der Zahlen in der Zukunft führen. Auch im Bereich Digital Print und Zifron kann man berechtigte positive Erwartungen an die zukünftige Entwicklung haben.
Neben den Zahlen an sich war sicher auch eine Enttäuschung, dass im Call zum geplanten Verkauf der Offset-Sparte nichts gesagt wurde. Aufgrund der Nicht-Verlängerung des Aktienrückkaufangebotes und der durchgesickerten Marktgerüchte war aber eigentlich klar, dass diese Transaktion in Verhandlung ist. Nur sechs Tage später am 30. August hat Agfa dann genau diesen Verkauf der Offset-Sparte an die Beteiligungsfirma Aurelius bekanntgegeben. D.h. jetzt ist klar, dass Agfa fast die Hälfte des operativen Geschäftes abgeben und sich zukünftig auf wachstumsstärkere Segmente konzentrieren wird. Mit diesem Deal werden die Altlasten aus dem Offset-Bereich abgegeben werden. Der Kurs hat auch positiv reagiert und ist wieder auf Werte um die 3,6 Euro angestiegen.
Die kritische Frage ist jetzt aber, wie dieser Deal für die Agfa-Aktionäre zu bewerten ist? Klar ist, dass die Sparte um einen „Enterprise Value“ von 92 Mio. den Besitzer wechseln wird. Unklar ist aber leider geblieben, wie sich dieser Wert zusammensetzt, wieviel der Pensionslasten tatsächlich mit dieser Sparte auf den Käufer übergehen und wieviel Cash hier im Gegenzug quasi als Mitgift abgegeben werden musste. Das Negativ-Szenario ist, dass der Käufer z.B. 300 Mio. Pensionslasten übernehmen wird, er im Gegenzug dafür aber eine Cash-Position von 208 Mio. mitnimmt. (300 Mio. Verbindlichkeiten entspricht EV von 92 Mio. plus 208 Cash). Damit wäre Agfa zwar ein operatives Sorgenkind los – die Pensionslasten (in Summe immerhin noch 528 Mio. per 30.6.) würden aber nur um 92 Mio. mehr sinken, als der vorhandene Cash. (D.h. entweder man ist viel Pensionsverpflichtungen los – dann aber auch den vorhandenen Cash. Oder aber man hat noch Cash, dann aber auch die Pensionsverpflichtungen). Wenn sich der Deal tatsächlich in der Form materialisieren würde, dann wäre das für mich eine sehr große Enttäuschung. Vielleicht ergeben sich aber aus der tatsächlichen Abwicklung noch andere Zahlen bzw. Effekte. Im Call wurde z.B. berichtet, dass sich alleine das Working Capital der Offset-Sparte auf 200 Mio. beläuft. Je nachdem welche Working Capital -Adjustments man da annimmt, kann das damit sehr große Auswirkungen auf die Net-Cash / Pensionslastenrelation haben. Leider tappt man da im Moment noch im Dunkeln.
Was für eine kurzfristig bessere Beurteilung durch den Kapitalmarkt sicher auch hinderlich ist, ist die Tatsache, dass durch den Deal in diesem Jahr wohl ein großer (bilanzieller, d.h. nicht-operativer) Verlust ausgewiesen werden wird. Es wird damit leider zumindest nochmals 6 bis 12 Monate dauern, bis sich ein positiveres Sentiment für Agfa ergeben wird. Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass das Kurspotential kleiner ist, als ich das Ende 2019 bei der Vorstellung des Business-Case für realistisch erachtet habe. Damals bin ich von einem Wert von 6 Euro bis 8 Euro ausgegangen – heute muss man davon ausgehen, dass nur die Untergrenze davon realistisch erscheint. Und zusätzlich wird sich dieses Kurspotential erst für das Jahr 2024 ergeben, und nicht wie damals erwartet bereits 2022. Damit ist der Investment-Case bisher nicht erfolgreich. Trotzdem ist Agfa für mich im Moment eine Depotposition, mit der ich mich wohl fühle. Die (erwarteten) Trigger für die Realisierung der Werte sind vom Unternehmen umgesetzt worden und ich bin sicher, dass das noch nicht das Ende der Transformation ist. Ich traue der jetzt verkleinerten Agfa ein sehr gute operative Performance zu – und transformatiorische Deals kommen als Add-on hinzu. Dass jetzt kein weiteres Rückkaufprogramm aufgelegt worden ist, sagt mir, dass noch mehr in der Pipeline ist, das einem solchen Rückkauf im Moment entgegensteht. Auch wenn die Realisierung des Business-Cases länger dauert als geplant und nicht alle Erwartungen erfüllt werden – ein Investment auf diesem Niveau ist attraktiv. Ausgehend von einem Niveau von nur 580 Mio. Marktkapitalisierung, der Marktstellung in den verbleibenden Geschäftsbereichen (inkl. Zukunftshoffnungen wie die Membrane für den grünen Wasserstoff) gibt es eine solide Basis für Wertsteigerungen über die nächsten zwei Jahre.